Unberechtigte Doppelbesteuerung der Altersrenten?! Der Bundesfinanzhof stellt klar.

21.06.2021

Worum geht es?

Die Besteuerung der Alterseinkünfte, die umfassend mit dem Alterseinkünftegesetz im Jahr 2005 reformiert wurde, steht seit längerem in der Kritik. Altersrenten werden demnach zunehmend höher besteuert. Gleichwohl ist die aktuelle Systematik der stufenweisen Übergangszeit bis ins Jahr 2040 verfassungskonform.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun in zwei Verfahren zu entscheiden, ob bei Rentnern eine Doppelbesteuerung bei ihren Altersrenten vorliegt oder nicht.

Wie hat der BFH entschieden?

Die Richter des BFHs wiesen die Klage eines ehemaligen Freiberuflers wegen des Vorwurfs der Doppelbesteuerung zurück (Az.: X R 33/19). Auch die zweite Klage (Az.: X R 20/19), die ebenfalls ein Freiberufler erhoben hatte, wurde abgewiesen, da das Gericht die Rechte des Klägers nicht verletzt sah. In beiden Fällen läge rechnerisch keine Doppelbesteuerung vor.

Doch trotz der Zurückweisung der Klagen gab der BFH erstmalig Berechnungsgrundlagen bekannt, nach denen eine mögliche Doppelbesteuerung ermittelt werden kann. Das ermöglicht allen Altersrenter*innen ihre individuelle Situation zu überprüfen und gegebenenfalls gegen eine Doppelbesteuerung im Rechtsbehelfsverfahren vorzugehen.

Wann kann eine Doppelbesteuerung vorliegen?

Nach der Definition des BFHs liegt eine Doppelbesteuerung dann vor, wenn die Summe der gezahlten Altersvorsorgeaufwendungen für die Basisversorgung aus versteuerten Einkommen höher ist als die Summe der später bezogenen, steuerfreien Anteile der Rente („Rentenfreibetrag“). Bei der Ermittlung werden der Grundfreibetrag, Werbungskosten und andere Sonderausgaben bzw. der Sonderausgaben-Pauschbetrag nicht in die Ermittlung der Doppelbesteuerung mit aufgenommen.

Da Altersrentner*innen, die vor 2005 in Rente gingen, einen hohen Rentenfreibetrag von bis zu 50% erhalten, liegt bei ihnen vermutlich keine Doppelbesteuerung vor.

Dieses Verhältnis kann und wird sich bei künftigen Altersrentner*innen umkehren: Wer nach 2005 und erst recht nach 2040 in Rente geht, der erhält einen deutlich geringeren Rentenfreibetrag. Denn der steuerfreie Rentenfreibetrag reduziert sich jährlich um 2% bzw. 1%, bis die Rente ab dem Jahr 2040 komplett zu versteuern ist. Da diese Rentenjahrgänge jedoch in ihrer aktiven Erwerbsphase Rentenbeiträge nicht komplett als Sonderausgaben absetzen konnten, könnte hier eine Doppelbesteuerung vorliegen.

Aus den Fachmedien geht hervor, dass der Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine Neuregelung der Rentenbesteuerung vorsieht, um die zukünftig drohende Doppelbesteuerung zu beseitigen oder weitestgehend abzumildern. Wann dies jedoch sein wird, hat er offengelassen.

Schritt 1:

Ermitteln Sie die Summe der Beiträge, die Sie aus versteuertem Einkommen an die Deutsche Rentenversicherung bezahlt haben. Diese Differenzen können Sie aus Ihren Einkommensteuererklärungen und/oder aus Ihren Einkommensteuerbescheiden der vergangenen Jahre ableiten. In Bescheiden des Bundeslandes Baden-Württemberg schauen Sie hierzu die Spalte der „beschränkt abziehbaren Sonderausgaben / Altersvorsorgeaufwendungen“ an. In der oberen Zeile befindet sich die Summe der jährlichen Beiträge; in der Zeile drunter i.d.R. „davon X%“. Die Differenz aus beide Beträgen ergibt der Betrag, den Sie aus versteuertem Einkommen bezahlt haben. Das wiederholen Sie für alle Jahre vor dem Renteneintritt und addieren die Beträge. Aufgrund der stufenweisen Erhöhung der abziehbaren Sonderausgaben, reduzieren sich die Beträge entsprechend.

Schritt 2:

Ermitteln Sie Ihre statistische Lebenserwartung beim Statistischen Bundesamt und ermitteln Sie die statistische Rentenbezugsdauer (Lebenserwartung minus Alter). Außerdem ist für den länger lebenden Ehepartner eine künftige Hinterbliebenenrente zu berücksichtigen, sodass die „Mehrjahre“ für den/die Hinterbliebenen zu ermitteln.

Schritt 3:

Multiplizieren Sie Ihre Rentenbezugsdauer mit dem jährlichen steuerfreien Rentenfreibetrag.

Schritt 4:

Vergleichen Sie das Ergebnis aus Schritt 1 mit dem Ergebnis aus Schritt 3. Wenn die Summe der aus versteuertem Einkommen geleisteten Altersvorsorgeaufwendungen (Schritt 1) höher ist als die Summe der steuerfrei bezogenen Rentenbeträge (Schritt 3), dann liegt eine Doppelbesteuerung vor.

Bei mir liegt eine Doppelbesteuerung vor – was ist zu tun?

Sobald Ihr erster Einkommensteuerbescheid ergangen ist, in dem eine Altersrente aus der Basis­ab­sicherung (i.d.R. Dt. RV) festgesetzt wurde und eine Doppelbesteuerung nach der zuvor genannten Methode nachweisbar ist, legen Sie Einspruch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids ein und verweisen auf Ihre Ermittlung.

Wen könnte eine Doppelbesteuerung wahrscheinlich treffen?

Selbständige, die lange keine steuerfreien Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung erhalten haben.

Männer: Da sie eine geringere Lebenserwartung und somit einen geringeren steuerfreien Rentenbezug haben.

Künftige Rentnerjahrgänge: Da der steuerfreie Anteil der Rente mit jedem Jahr bis 2040 abnimmt.

Kinderlose und Ledige: Hier werden keine Hinterbliebenenbezüge in die Ermittlung mit aufgenommen.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, kommen Sie gerne auf uns zu. Bitte beachten Sie, dass eine Ermittlung der möglichen Doppelbesteuerung nicht im Rahmen der Einkommensteuererklärung enthalten ist. Hierzu benötigen wir einen separaten Auftrag von Ihnen. Wie immer gilt: Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sollten sich zukünftige Änderungen bei der Rentenbesteuerung ergeben, könnten die zu vor genannten Aussagen nicht mehr korrekt sein.